E c k h a r d    B e s u d e n
  Meine Malerei zu den Bildern

 

Keine Regeln, keine Tricks,
keine Geschichte,
wir machen den Kopf frei



Eyjafjallajökull, (2010) oil on canvas, 78.7 x 55.1 inch, 200 x 140 cm

Eyjafjallajökull, (2010) oil on canvas,
78.7 x 55.1 inch, 200 x 140 cm

Dr. Eckhard Besuden, Künstler aus dem Raum Konstanz, ist heute der Interviewpartner von Dr. Barbara Aust-Wegemund. Aus einem ersten flüchtigen Kontakt im November 2013 ist ein halbes Jahr später ein intensiver Dialog zwischen der Kunsthistorikerin und dem Künstler entstanden. Dr. Barbara Aust-Wegemund, Inhaberin von Art History Consulting (AHC) ist freie Kuratorin/ Kunstjournalistin und publiziert u.a. für das Ressort „Kunst in Deutschland“ im Goethe Institut Inter Nationes.

AHC: Sehr geehrter Herr Dr. Besuden, Sie bezeichnen sich selbst als einen Vertreter des Antideterminismus. Was genau meinen Sie damit? 

Eckhard Besuden: 
Den Dr. können wir weglassen, er gehört zu meiner anderen Welt, der Tätigkeit als Jurist. Ich fühle mich nicht unwohl als Schizophrener. Ich bin künstlerisch Autodidakt, also Dilettant – als Jurist ist das möglicherweise andersrum, aber heute bin ich ja nicht Jurist. Antideterminismus. Das ist eine lange Geschichte. Ich versuche mich kurz zu fassen (lacht). Beschränken wir uns auf die Königsdisziplin der Kunst, die Malerei und hier nur die moderne Malerei. Antideterminismus soll dazu führen, dass sich der Betrachter nur auf die reine Kraft der Malerei konzentrieren kann und muss. Keine Regeln, keine Tricks, keine Geschichte, wir machen den Kopf frei.

AHC: Gut Herr Besuden. Wenn wir über Antideterminismus sprechen sollten wir auch den Determinismus erwähnen.

Eckhard Besuden:
Der Determinismus ist die zwingende Festlegung der Qualitätsanforderungen des 1. Kunstmarktes an das künstlerische Ergebnis – in meinem Fall Malerei. Entspricht die Malerei nicht den Qualitätsanforderungen ist sie keine „gute“ Kunst. Stefanie Lucci hat das 2008 empirisch nachgewiesen in ihrer Doktorarbeit. (Anm. AHC: Stefanie Lucci, Um die Ecke denken, Zur Konstruktion von Qualitätsmerkmalen und Funktionen zeitgenössischer Kunst. Dissertation, 2008).

AHC: Sie zitieren im Zusammenhang mit deterministischen Merkmalen Paul Durand-Ruel, den Galeristen der Impressionisten. Welche Qualitätsmerkmale erwartete Paul Durand-Ruel von seinen Künstlerschützlingen? 

Eckhard Besuden:
1. Es muss „neu“ sein – ihr dürft nichts malen, was schon da ist. Geht in die Museen und schaut nach, was ihr nicht malen dürft. Es sollte sogar skandalös neu sein, ein Skandal ist ein hervorragender Verkaufskatalysator für die Kunst.
2. Es muss „authentisch“ sein – man muss Euch nach Möglichkeit sofort als Maler wiedererkennen. Eine Künstlerische Markenbildung erhöht die Werthaltigkeit der Kunst 3. Es muss „technisch perfekt“ sein. 4. Es darf „nicht dekorativ“ sein – ernsthafte Kunst ist nicht dekorativ 5. Die Künstler sollten eine „rein künstlerische Vita“ aufweisen, so wie es Gauguin der Künstlergemeinschaft bereits vorgemacht hatte, er war zunächst Börsenmakler, gab seine bürgerliche gesicherte Existenz zum Leidwesen seiner Familie auf und wurde mittelloser Maler.  Damit war ein Merkmal für die Verknappung von Exzellenz geschaffen – wir erinnern uns an die Marketingstrategie von Rolex.
Durand-Ruel wollte eine Abgrenzung zur Salonmalerei schaffen, nicht assimilationsfähig zum herrschenden Geschmack. Aber er schuf nebenbei die vorherrschende Kunstdogmatik des 20. Jahrhunderts – den Determinismus. Die ungebrochene Gültigkeit der deterministischen Qualitätsmerkmale für die moderne Kunst, „neu“, „authentisch“, „antidekorativ“, „rein künstlerische Vita“ wurde in der empirischen Doktorarbeit von Stefanie Lucci auch für die heutige Zeit nachgewiesen. Es geltend also relativ einfache Qualitätsmerkmale in der modernen Kunst.

AHC: Wo ist das Problem?

Das Problem ist die Degeneration. Wenn man immer Neues schaffen muss, springt man zwangsläufig in immer schnellerer Abfolge in immer „neue“ Stile, von Impressionismus, zu Symbolismus, Expressionismus, Jugendstil, Kubismus, Futurismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit und so fort. Beuys hat aber zu Recht erkannt, dass das lineare Kunstverständnis irgendwann zu einem Ende kommt. Und die Geschwindigkeit ist enorm. Die 1. Garde der Expressionisten wurde noch berühmt. Schon die 2. Garde wie zB Campedonk mussten auf Anerkennung weitgehend verzichten. Während die Epoche der Renaissance noch noch 250 Jahre dauerte, währte die Pop Art gerade mal von 1956-1969. Und nach weit über 100 Jahren deterministischer Qualitätsmerkmale gibt es im Grunde nichts „Neues“ mehr. Jede Form von Malerei war schon da, man findet sie im Internet. Wie soll man skandalös neu malen, wenn jede Form der Malerei schon da war? Die Künstler haben alles versucht. Gewaltige Erläuterungstexte zu den Bildern, das Zerschneiden der Leinwand, der pompöse Ausruf des Erzstaates der Kunst, in Deutschland vielleicht noch kombiniert mit dem unvermeidlich skandalösen Hitlergruß, das Schreddern des Kunstwerkes mitten in der Versteigerung; aber nach kurzlebiger Akklamation, dem kurzlebigen Glauben an Relevanz, lehnt sich das verwöhnte Publikum immer schneller wieder gelangweilt zurück, vielleicht, weil es erkennt - der Kaiser trägt einfach keine Kleider.
Auch die Kunstdogmatik hat immer neue Kniffe erfunden. In den 80ern versuchte man es mit Neo-Expressionismus, Neo Surrealismus, Neo Pop Art also statt dem linearen nunmehr mit dem zyklischen Kunstverständnis. Aber alles half nichts. Der Determinismus degeneriert die Kunst, die deterministischen Merkmale für Qualität sind nicht mehr zeitgemäß, sie haben sich überholt.

AHC: Die Transitory Gallery London provozierte 2007 mit dem Slogan “Wir brauchen mehr Dilettanten”. War das ein Dammbruch? 

Eckhard Besuden:
Die Antideterministen, wie die Transition Gallery in London unter dem Slogan „Wir brauchen mehr Dilettanten“ und ab 2012 in der Baumwollspinnerei in Leipzig unter dem Motto „Über den Dilettantismus“ versuchen kunstdogmatisch das Gegenteil. Man kann die Kunstwelt m.E. nicht mehr durch „skandalös neue“ Bilder bewegen. Es sind neue dogmatische Ideen erforderlich – und sie müssen radikal sein.

Bauwollspinnerei Leipzig, 2012

Bauwollspinnerei Leipzig, 2012

AHC: Wie malt ein Dilettant?

Eckhard Besuden:
Wir malen nicht neu, wir malen nicht authentisch, wir malen nicht antidekorativ. Unsere Vita ist autodidakter Dilettantismus, wir malen ab, wir malen, was „schon dagewesen“ ist, wir malen dekorativ, wir malen mit totaler Beliebigkeit der Sujets aber auch der Malweise, sodass auch die Wiedererkennbarkeit des Malers, also das Merkmal „authentisch“, negiert wird. Wir scheren uns nicht um die deterministischen Qualitätsmerkmale. Lediglich um das Merkmal „perfekte Technik“ kommt niemand herum. Wir befreien den Malakt von dogmatischem Wissen, von Vorurteilen im Kopf des Künstlers. Das Wichtige an der Arbeit ist nur noch das Bild. Jedes Bild erzählt eine Geschichte.

AHC: Dann ist es also Ihr Ziel, die Marketing Mechanismen zu unterwandern? 

Eckhard Besuden:
Das wurde mir oft nachgesagt, aber ich bin anderer Auffassung. Die Entstehung eines Bildes orientiert sich einfach nicht mehr an 150 Jahre alten Qualitätsmerkmalen. Damit wird meines Erachtens aber das Bild keineswegs wertlos oder unverkäuflich. Die Protagonisten des 1. Kunstmarktes, Kuratoren, Galeristen, Versteigerer usw. müssen sich nur ein wenig umorientieren. Das Werk selbst erlangt zunehmende Bedeutung.

AHC: Aber hat die Antideterministische Kunst keine Qualitätsmerkmale? Woran erkennen Sie ein „gutes“ Bild?

Eckhard Besuden:
Das wichtigste Merkmal ist meines Erachtens, dass das Bild in der Lage sein muss, die Betrachterin oder den Betrachter zu interessieren. Erst der Rezeptionsakt adelt das Bild.

AHC: Ist der Antideterminismus auch eine Kritik an den Zuständen des Kunstmarktes?

Eckhard Besuden:
Das würde ich vorsichtig bejahen wollen. Einige Zustände des 1. Kunstmarktes sind kritikwürdig und sind meines Erachtens auch den deterministischen Qualitätsmerkmalen geschuldet.

AHC: Und das wäre?

Eckhard Besuden:
Seeger (Anm. AHC: Ulli Seeger, Handbuch Kunstmarkt, 2014 (transcipt Verlag Bielefeld) hat es schön auf den Punkt gebracht: „Der Kunstmarkt funktioniert nicht wie die Musikindustrie, sondern ist ein elitäres Geschäft, das maßgeblich von einem kleinen, aber mächtigen Kreis von Akteuren bestimmt wird, die über große Künstlerkarrieren entscheiden“. Sie bestimmen was „neu“ und en vogue ist. Auch in den Zulassungskommissionen der wichtigen Kunstmessen sitzen vor allem erfolgreiche Galeristen, sodass es hier zu einer weiteren „Inzucht“ kommt („Prinzip der gegenseitigen Zuweisung“). Dadurch verarmt der Geschmack noch stärker. Laut „Art Newspaper“ gingen zwischen 2007 und 2013 in 68 namhaften US-Museen 33% aller Einzelausstellungen an Künstler, die von gerade einmal 5 privaten Galerien vertreten wurden (Anm. AHC: so auch Kopitzki, Südkurier, Kultur 29.11.2017 S. 13). Das bedeutet auch, dass der Geschmack des Publikums, welches in US-Museen geht, maßgeblich von gerade einmal 5 Privatgalerien beeinflusst wird. Diese bestimmen, was gute Kunst ist und was nicht. Die Zeit kommentiert daher in 2017: „Der Kunstbetrieb tickt anders als andere Betriebe, er gilt vielen als undemokratisch, autoritär und korrupt“. Ich zitiere Nicole Zepter selbst Kuratorin (Anm. AHC: Zepter, Kunst hassen, 2013, S. 90): „Die Öffentlichkeit, die in der Literatur, Theaterwelt, in der Musik mitbestimmt, hat in der Kunst in der Malerei und in der Plastik, nichts zu sagen. Sie wird mit feststehenden Tatsachen konfrontiert, die die Kulturwelt eines ganz kleinen Kreises ausgewählt hat. Sie bestimmen den Kunstgeschmack unserer Enkel.“. Weltweit bestimmen nur 10.000 Menschen den Kunstgeschmack der Restmenschheit. Davon befinden sich 3.000, und sie sind die Einflussreichsten, in New York City (Zepter, ebenda, S.90). Am meisten beeindruckt hat mich die Studie von Fraiberger, Sinatra, Resch und weiteren in der Science (Anm. AHC: Samuel P. Fraiberger Roberta Sinatra Magnus Resch Christoph Riedl Albert-László Barabási, Quantifying reputation and success in art, Science 11/2018). Sie kommen zu klaren Ergebnissen. Es ist fast unmöglich vom 3. In den 1. Kunstmarkt aufzusteigen, wenn man keine Beziehungen hat. Der Kunstmarkt ist zutiefst undemokratisch. Die Chance für einen Künstler des 3. Kunstmarktes ohne Kontakte in den 1. Kunstmarkt vorzustoßen liegt bei Null (Markus Renz, Monopol Magazin, 14.11.2018). Da also nur noch wenige Protagonisten das wichtigste Asset in Händen halten – die Adressliste der Superreichen Sammler – kommt es zwangsläufig zu einer Refeudalisierung der Kunst und zu einer massiven Verarmung des Kunstgeschmacks. Der 1. Kunstmarkt suggeriert neue Vielfalt durch Strömungen wie weibliche Kunst, Dekolonialisierung oder vermeintliche Entdeckung von Afrika als Kunstkontinent. Fakt ist aber, der Geschmack und der Erfolg am 1. Kunstmarkt wird von Wenigen bestimmt.

AHC: Inwieweit kann der Antideterminismus hier Abhilfe leisten?

Eckhard Besuden:
Ich halte es mit Danto (Anm. AHC: Arthur Danto: Die Verklärung des Gewöhnlichen, 1993 (die amerikanische Originalausgabe erschien 1981)), wir müssen uns wieder um ein „normales“ Sensorium bemühen, mit dessen Hilfe man Kunst als Kunst erfahren kann. Die Individualisierung von Rezeption ist ein wichtiger Schritt für die Demokratisierung des Kunstsystems. Wir müssen uns nur auf unsere Augen und Sinne verlassen. Was uns der Determinismus lehrt, lenkt uns nur ab. Warum sollte ein dekoratives Bild keine Qualität innehaben? Der 1. Kunstmarkt degradiert doch den Betrachter wie Luhmann (Anm. AHC: Niklas Luhmann „Die Kunst der Gesellschaft“ 1995) zu recht kritisiert. Luhmann ging so weit, monopolisierende Meinungsbildung vermeiden, indem er Qualitätsfragen gar nicht mehr stellt, um die Bestimmung dessen, was als Kunst gilt, wieder dem Publikum selbst zu überlassen. Die normalen Betrachter werden vom Kunstsystem in die Position von Beobachtern zweiter Ordnung verwiesen: „Sie müssen sich beschränken, zu berichten, was das Kunstsystem als Kunst bezeichnet“. Die Kunst bedeutet Um- und Neugestaltung von Lebenszusammenhängen. Bislang wurde seitens der Künstler unter dem Diktat des Neuen großer Wert auf das Prinzip der Ordnung durch Fluktuation gelegt. Wir müssen stattdessen für uns das Prinzip der Multistabilität, ja der Ambiguität der Kunst für uns entdecken. Das entfernt sich vom Merkmal Neu und eröffnet neue Formen. Wenn bisher Kreativität bestimmt wurde, als das bewusste oder unterbewusste Offenhalten der Instabilität kognitiver Prozesse, als Subversion des Stabilitätsbedürfnisses, so ist die neue zum 21. Jahrhundert gehörende Bestimmung die Anerkennung der Multistabilität. Dazu gehört auch die Einbeziehung der Institutionen und deren Funktion.

AHC: Was können die Institutionen leisten?

Eckhard Besuden:
Eine interessante Idee, den Kunstgeschmack wieder zu demokratisieren hat Resch (Anm. AHC: Resch, Der Kunstmarkt ist undemokratisch, Monopol Magazin 11/2018; Fraiberger, Sinatra, Resch, Riedl, Barabasi, Quantifying reputation an success in art, Science, 11/2018) Er empfiehlt zB die Verlosung von Museumsausstellungen. Die Verlosung würde das Netzwerk unterwandern und die Generierung von Geschmack zufälliger machen. Die Durchlässigkeit vom 3. in den 1. Kunstmarkt würde wieder steigen.

AHC: Sie bezeichnen sich gerne als Deutschen Künstler. Sind Sie beeinflusst von Deutscher Nachkriegskunst?

Eckhard Besuden: 
Unbedingt ja. Eine Verortung der eigenen Malerei halte ich für wichtig. Der Seehas ist ein Motiv vom Bodensee, er bedeutet Heimat. Ende der 60er sprechen mich die Bilder von Günther Uecker und Heinz Mack an. Aber die Kraft der Malerei fehlte mir. Die Deutschen Idealisten wie Winfred Gaul, Kuno Gonschior etc. langweilen mich. Der Versuch die Fotografie in die Malerei einzubringen muss zwangsläufig fehlschlagen. Ende der 60er entfernt sich mit Paik, Leve und Maciunas von meinem Geschmack. Selbst ein begnadeter Techniker wie Gehard Richter malt hier sehr bescheiden. Es ist die Zeit von Beuys, der überflüssigerweise nochmals dem Skandal Leben einhaucht. Die finde ich malerisch uninteressant, aber sehr zeitgenössisch.  Ich mag lieber die „leisen“ wie Horst Antes. Selbst seine Ähnlichkeit mit den kubistischen Picassos vermögen seiner Werthaltigkeit keinen Abbruch zu tun. Konrad Klapheck ist zweifellos genial. Vergleichen wir ihn mit Immendorf, wird doch schon klar, wer die Nase vorne hat. Dann kommen wieder Schwergewichte wie Baselitz, Schönebeck, Lüpertz und natürlich der frühe Richter. Ihr Verdienst ist es, die Kraft der Malerei im Post-Beuysschen Zeitalter reanimiert zu haben.  Ich bewundere Volker Tannert und Peter Kuckei. Bescheiden, aber malerisch hoch wertvoll. Die Bescheidenen sind mir einfach lieber, wie Hubertus Giebe oder Walter Libuda auch wenn der eine heftige Anleihen bei James Ensor gemacht hat. Die Bescheidenheit ist die letzte Tugend, die wir in diesem Leben lernen und manche lernen sie nie. Von den aktuellen, sagen wir ab 2010 mag ich besonders Hagen Betzwieser, Anna Gierster, Karl Hans Janke, Per Olaf Schmidt, sie alle haben ihr Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

 

AHC: Aber bedeutet angesichts der Internationalisierung der Kunst, der Begriff deutscher Kunst, die von einem Dorf wie Allensbach aus gemalt wird, nicht eine gewisse Enge?

Eckhard Besuden:
Manchmal ist Enge ein Vorzug, denn was von Dauer ist, geschieht sehr oft an einem begrenzten Ort. Das Bedeutende ist meines Erachtens sogar dem überschaubaren Ort verpflichtet, setzt Nähe voraus, eine einsehbare Topographie. Erst dieser Schauplatz ist also bemessen, die Enge lässt Anspielungen zu und macht das Verständnis für Anspielungen übertragbar. Das Große wird im Kleinen erst transparent, die Welt wird verständlich durch Erforschung eines vergleichsweise winzigen Bezirks. Und Abgelegenheit ist kein Mangel. Die illuminierten Metropolen bringen keineswegs zwangsläufig Weltklasse hervor. Das Bild soll am Ende nur den Vorteil innehaben „anregend“ zu wirken und zwar in wünschenswerter Weise, das heißt in einer Weise, die dem Bild mit kritischer Aufmerksamkeit begegnet statt mit stummen Einverständnis.

AHC: Wie entstehen Ihre Bilder? Planen Sie Ihre Kompositionen genau? Machen Sie Skizzen/ Vorentwürfe oder entsteht das Bild intuitiv und spontan auf der Leinwand? 

Eckhard Besuden: 
Es gibt zwei Möglichkeiten. Zunächst die konkreten Bilder: Als erstes mache ich Skizzen. Sind sie ausbauwürdig, suche ich Fotovorlagen mit meiner Kamera und erarbeite „das Bild“ in Adobe Photoshop, was manchmal mehr Zeit erfordert, als das eigentliche Gemälde. Dann verwende ich wie Gerhard Richter den Diaprojektor oder heute den Beamer. Nach 2 – 3 gleichen Sujets geht es dann auch ohne Beamer, wie beim Seehas. Die Malerei wird dann ruppiger.
Die Abstrakten Bilder verlangen eine andere Vorgehensweise. Die male ich einfach.

AHC: Können Sie uns die Geschichte hinter einigen Bildern erläutern? Zum Beispiel der Seehas? Was hat es damit auf sich?

Eckhard Besuden: 
Der Seehas ist eine mystische Figur des Bodensees, sie finden ihn auf jedem Brunnen rund um den Bodensee, gleichermaßen in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Nach ihm ist auch die Zugverbindung benannt, mit der ich morgens zur Arbeit fahre, eben der „Seehas“. . Ich wollte immer eine eigene Interpretation des Seehasen. Die Entdeckung von Adobe Photoshop habe ich Hannes Krutzler zu verdanken. Er kam auf die Idee mit dem Hasen, dem man eine Taucherbrille aufsetzt. Eines morgens erinnerte ich mich an Hannes Sujet. Mit meinem Konstanzer Lokalwissen bereichert, musste es gemalt werden. Zunächst war es ein einfaches Bild, ein simpler Gedanke, die Farbigkeit aus Warhols „Selfportraits“, aber mit jedem gemalten Seehas wurde er besser, entfernte sich von Hannes Vorlage. Ein primitives, dekoratives, nicht neues Sujet, seehr antideterministisch (lacht).

Barbaras Seehas klein magenta, (2014) oil on canvas, 27.6 x 31.5 inch, 70 x 80 cm

Seehas groß ultramarinblau (2 von 10)
(2020) Öl auf Leinwand
130 x 140 cm

AHC: Gibt es weitere Bilder in Ihrem Werk, die Sie, wie Neo Rauch es ausdrückt, für Schlüsselbilder halten? Lösen Sie das Strandrätsel auf?

Eckhard Besuden:
Das „Strandrätsel“? Ein italienischer Galerist, provozierte mich. „Seestücke, das ist doch nach Gerhard Richter keine Kunst mehr“. Ich habe also sofort eine Strandlandschaft gemalt, auf der drei Flaggen zu sehen sind. Im Sand vor den Flaggen steht „NO“, die Flaggen bedeuten nach dem Flaggenalphabet „A“ und „R“ und „T“ und hinter den drei Flaggen sieht man im Sand ein „!“. „Keine Kunst!“ eben – aber nur für die, die das Flaggenalphabet beherrschen - und der Galerist konnte es nicht (grinst). 

Strandrätsel, (2013) oil on canvas, 78.7 x 55.1 inch, 200 x 140 cm

Strandrätsel, (2013) oil on canvas,
78.7 x 55.1 inch, 200 x 140 cm

AHC: Was bedeuten ihre Schacheröffnungen zB die Leningrader Variante?

Eckhard Besuden:
Die Schacheröffnungen sind stets ein Zusammenspiel verschiedener Elemente. Die einzelnen Elemente des Bildes verbleibt in den Grenzen ihrer Wirkungsästhetik, die sich nie sicher sein kann, vielleicht sogar durch ihr Scheitern wirkungsvoller zu werden. Der ganze Weltenentwurf zielt auf Künstlichkeit. Ich male den Birkenwald von Georg Bernhard Müller vom Siel, Gigi Hadid in einer roten Robe von Oscar de la Renta, die sie nie getragen hat. Und Sie treffen sich alle hier und werden wie vom Siel wohl in die Nervenheilanstalt landen, wenn sie ihrer Aufgabe pflichtgemäß nachkommen wollen. Zunächst wirken die Bestandteile zusammengebastelt, wie es die Gliedmaßen und phänotypischen Merkmale einer Puppe auch sind. Aber dann gelingt es meinem Pinsel hoffentlich die episodische Form in eine Kohärenz höherer Ordnung zu überführen. Die Leningrader Variante der Holländischen Verteidigung entsteht und sie wirkt leicht. Üblicherweise ist Kunst erschwerend; meine Kunst ist erleichternd.

Tate Modern, (2012) oil on canvas, 39.4 x 39.4 inch, 100 x 100 cm

2017 Leningrader Variante Öl auf Leinwand
79 x 55 inch, 200 x 140 cm

AHC: Als Schlüsselbild bezeichnete Neo Rauch seinen „Sucher“. Ist das Ihr Thema?

Eckhard Besuden:
Ich habe mich des Themas gerne angenommen. Mein „Sucher“ ist als Fuchs bekanntlich sehr schlau, aber trotz seines ihm zuerkannten Wissens, sucht er offensichtlich an der falschen Stelle. 

Der Sucher, (2011) oil on canvas, 78.7 x 55.1 inch, 200 x 140 cm

Der Sucher, (2011) oil on canvas,
78.7 x 55.1 inch, 200 x 140 cm

AHC: Wie sehen Ihre künstlerischen Pläne aus? Wohin geht die Reise?

Eckhard Besuden: 
Bruno Ganz beantwortete diese Frage immer mit: „Ja muss ich denn alles selber denken?“ 

AHC: Vielen Dank, Herr Besuden, für die Einladung zum Gespräch und alles Gute für Ihre zukünftigen Projekte und Ausstellungen. 




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